Hamburg:
Amtsgeheimnis ade


[27.9.2012] Bürgern den Informationszugang erleichtern, die demokratische Meinungs- und Willensbildung fördern sowie das Kostenbewusstsein der Verwaltung schärfen – das sind die Erwartungen an das Hamburgische Transparenzgesetz, das am 6. Oktober in Kraft tritt.

Hamburg macht Transparenz zum Gesetz. Hamburg wird das transparenteste Bundesland – so lautete Mitte Juni die gemeinsame Erklärung aller fünf in der Hamburgischen Bürgerschaft vertretenen Fraktionen. Es war sehr schnell gegangen bis zum konkreten Entwurf und Beschluss des Hamburgischen Transparenzgesetzes, und man hatte sich nicht aus eigenem Antrieb auf den Weg gemacht: Es stand ein Volks­begehren im Raum, die zweite Stufe der Volksgesetzgebung. Die dritte Stufe, der Volksentscheid, ist in Hamburg verbindlich.
Die Volksinitiative „Transparenz schafft Vertrauen“ hatte bereits Ende vergangenen Jahres mehr als 15.000 Unterschriften gesammelt, um die Bürgerschaft dazu zu bewegen, sich des Themas anzunehmen. Das geschah dann auch in Form intensiver Beratungen und Expertenanhörungen im Ausschuss für Justiz und Datenschutz, woraufhin die Volksinitiative eine überarbeitete Fassung ihres Gesetzentwurfs einreichte. Es folgten Gespräche mit den Bürgerschaftsfraktionen, die das Ziel hatten, zu einer Verständigung zu kommen – mit Erfolg. Am 6. Oktober tritt das Gesetz in Kraft.
Alle Beteiligten versprechen sich von den neuen Spielregeln positive Effekte. Den einen geht es um die bessere Kontrolle staatlichen Handelns, die anderen hoffen, dass eine transparente Verwaltung dazu beiträgt, das Vertrauen in Politik und Staat zu stärken. Es wird viel erwartet von der Abkehr vom Amtsgeheimnis hin zum „Open-Government-Data-Prinzip“. Dabei ist Hamburg bereits bundesweit führend bei der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an Entscheidungsprozessen. Und auch die parlamentarischen Entscheidungsstrukturen sind durchaus transparent – zum Beispiel mit fast vollständig öffentlichen Ausschusssitzungen, öffentlichen Anhörungen, Live-Übertragungen der Plenarsitzungen oder einer umfänglichen Parlamentsdatenbank.

Neue Spielregeln

Das Hamburgische Transparenzgesetz löst das bisher geltende Informationsfreiheitsgesetz ab. Dieses hat den Hamburgern zwar weitgehende Informationsrechte zugestanden, sie mussten jedoch mit einem Antrag durchgesetzt werden. Nun wird dieser Informationszugang um eine aktive Veröffentlichungsverpflichtung erweitert: Künftig muss die Stadt Dokumente von öffentlichem Interesse unaufgefordert und kostenlos in einem Informationsregister zur Verfügung stellen. Davon erfasst werden unter anderem in öffentlicher Sitzung gefasste Beschlüsse nebst den zugehörigen Protokollen und Anlagen, Verträge der Daseinsvorsorge, Haushalts-, Stellen-, Bewirtschaftungs- und Aktenpläne, Verwaltungsvorschriften, amtliche Statistiken und Tätigkeitsberichte, Gutachten und Studien, Geodaten, wesentliche Regelungen erteilter Baugenehmigungen, Subventions- und Zuwendungsvergaben sowie die wesentlichen Unternehmensdaten städtischer Beteiligungen. Etliche dieser Daten werden auch heute schon von den sie führenden Stellen im Internet bereitgestellt. Künftig wird es aber ein zentrales Register geben, in dem die Informationen zu veröffentlichen oder mit dem andere Datenbanken zu verknüpfen sind.
Die Informationen sind im Volltext zur Verfügung zu stellen, die Nutzung, Weiterverwendung und Verbreitung der Daten sind frei, sofern höherrangiges Recht oder spezialgesetzliche Regelungen nichts anderes bestimmen. Vorgeschrieben ist auch, dass die nach dem Gesetz zu veröffentlichenden Verträge so zu schließen sind, dass sie frühestens einen Monat nach Veröffentlichung wirksam werden – Bürger sollen Gelegenheit haben, mögliche Bedenken zu äußern, der Senat hat ein Rücktrittsrecht. Insbesondere dieses Sonderkündigungsrecht stößt bei der Handelskammer, die das neue Gesetz scharf kritisiert, nicht auf Zustimmung: Damit würde Rechtsunsicherheit für die Vertragspartner der Stadt geschaffen.
Hamburgs Datenschutzbeauftragter, der die Ausarbeitung des Transparenzgesetzes begleitet hat und es ausdrücklich begrüßt, hat klargestellt: Der Schutz der Individualdaten von Bürgern muss gewahrt bleiben; Grenzen setzen dem Transparenzgesetz der Personen­datenschutz, der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie auch der Schutz der Willensbildung des Senats. Selbstverständlich sind beispielsweise Petitionen vollständig von der Veröffentlichungs- und Auskunftspflicht befreit. Zudem sind Schwellenwerte festgelegt, ab denen Verträge (100.000 Euro) sowie Subventions- und Zuwendungsvergaben (1.000 Euro) zu veröffentlichen sind.

Digitale Akten notwendig

Für die Umsetzung des Gesetzes sind verschiedene Fristen vorgesehen. Die längste gilt für alle technischen Voraussetzungen für die Realisierung der Veröffentlichungspflicht, also das Informationsregister, die innerhalb von zwei Jahren zu schaffen sind – allerdings sind dabei alle Daten ab Inkrafttreten einzubeziehen. Informationen, die vorher aufgezeichnet worden sind, sollen nur veröffentlicht werden, wenn sie in elektronischer Form vorliegen. Damit soll der Verwaltungsaufwand möglichst gering gehalten werden.
Klar ist: Der Auftrag, ein Informationsregister zu schaffen, ist jenseits strukturierter Daten für die Verwaltung nur auf Basis digitaler Akten realisierbar. Dabei ist es kein Geheimnis, dass die Hamburger Behörden hier sehr unterschiedlich aufgestellt sind. Im Transparenzgesetz hat die Bürgerschaft kurz und bündig bestimmt, die Behörden seien angehalten, ihre Akten zukünftig nach Möglichkeit so zu führen, dass bei der Veröffentlichung kein großer Zusatzaufwand entsteht und eine Trennung der schutzwürdigen Informationen von dem Teil der Akte erfolgt, der offengelegt wird. Zunächst entsteht allerdings zusätzlicher Aufwand. Denn zum einen ändert elektronische Aktenführung nichts daran, dass zu einem erheblichen Teil auch Papierakten auszuwerten sind, zum anderen müssen geeignete Prozessstrukturen implementiert werden: Die fachlichen und rechtlichen Vorgaben sind zu spezifizieren, Behörden zu koordinieren, das Informationsregister ist aufzubauen und schließlich eine automatisierte Zulieferung umzusetzen. Die Daten müssen im Volltext in elektronischer Form veröffentlicht werden, leicht auffindbar, maschinell durchsuchbar und druckbar sein.

Hohe Erwartungen

Die Bürgerschaft legt Wert darauf, dass bei der Verknüpfung zu einer Open-Data/Open-Government-Strategie auch externer Sachverstand, etwa aus der Volksinitiative, einbezogen wird. Der Senat ist aufgefordert, möglichst kurzfristig eine aussagefähige Kostenschätzung und anschließend einen Finanzierungsvorschlag für die Umsetzung vorzulegen. Über den Fortschritt der Realisierung ist den zuständigen Ausschüssen des Parlaments halbjährlich Bericht zu erstatten.
Die Erwartungen an das Transparenzgesetz sind bei der Volksinitiative wie auch beim Parlament hoch und vielfältig: Bürger sollen sich im Vorfeld politischer Entscheidungen die notwendigen Informationen beschaffen können. Durch die proaktive Veröffentlichung hofft man, die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern. Zudem könnte das Kostenbewusstsein der Verwaltung weiter geschärft werden, weil potenzielle Nachfragen einen Rechtfertigungsdruck erzeugen. Das Amtsgeheimnis jedenfalls hat in Hamburg im Wesentlichen ausgedient.

Carola Veit ist Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft.

Dieser Beitrag wird in der Oktober-Ausgabe von Kommune21 veröffentlicht. Das Heft erscheint am 28.September. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Politik, Hamburg, Transparenz, Transparenzgesetz, Open Data, Open Government

Bildquelle: PEAK

Druckversion    PDF     Link mailen


Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich Politik
Schleswig-Holstein: Kommunale Open-Data-Projekte gefördert
[5.7.2024] Offene Daten nutzen Wirtschaft und Forschung, können zu mehr Transparenz beitragen und dadurch Bürgernähe schaffen. Das Land Schleswig-Holstein fördert ab sofort bis 2027 kommunale Projekte zur Anbindung an das landesweite Portal für offene Daten. mehr...
OZG 2.0: Neue DNA verankern Bericht
[4.7.2024] Um ein Erfolg zu werden, muss das OZG 2.0 die Ende-zu-Ende-Digitalisierung als neue DNA verinnerlichen. Mit der Einigung zwischen Bund und Ländern ist die Basis dafür geschaffen. mehr...
Das OZG 2.0 muss eine neue Genetik vorweisen.
Digitales Bayern: Der Sound der Zukunft Interview
[3.7.2024] Bayern segelt auf Innovationskurs, sagt Fabian Mehring. Kommune21 sprach mit dem Digitalminister des Freistaats über die Reorganisation seines Ressorts, seine Pläne für einen innovativen Staat und die Rolle der Kommunen dabei. mehr...
Bayerns Digitalminister Dr. Fabian Mehring
Thüringen: Landesmittel für kommunale Digitalisierung
[3.7.2024] Das Land Thüringen will die kommunale Digitalisierung mit zehn Millionen Euro fördern. Das geht aus der neuen Thüringer E-Government-Richtlinie hervor, die jetzt offiziell veröffentlicht wurde. Kommunen können ab sofort neue Anträge beim Finanzministerium stellen. mehr...
Durch die Förderung möchte Thüringen die begrenzten personellen Ressourcen der Kommunen in der IT und in den Fachbereichen entlasten, erklärt der Landes-CIO Hartmut Schubert.
Nürnberg: Expertise bei KI
[2.7.2024] Im Rahmen der Zukunftskommission #Digitales Bayern 5.0 soll die Digitalisierung der Kommunen verbessert werden. Die Frankenmetropole Nürnberg bringt ihre Expertise unter anderem im Bereich Künstliche Intelligenz im Bürgerservice ein. mehr...
Weitere FirmennewsAnzeige

Besuchersteuerung: Das neue Einbürgerungsgesetz stellt Behörden vor zusätzliche Herausforderungen
[12.6.2024] Am 27. Juni 2024 tritt das neue deutsche Einbürgerungsgesetz in Kraft. Damit verkürzt sich die Mindestaufenthaltsdauer für eine Einbürgerung von derzeit acht auf fünf Jahre, bei besonderen Integrationsleistungen sogar auf bis zu drei Jahre. Demzufolge werden Ausländerbehörden künftig mehr Anträge auf Einbürgerung bearbeiten müssen. Allerdings stoßen bereits heute viele Ausländerbehörden an ihre Kapazitätsgrenzen. Magdalene Rottstegge, zuständig für das Business Development bei der SMART CJM GmbH, erläutert, wie Ämter das erhöhte Arbeitsaufkommen besser bewältigen können. mehr...

E-Rechnung: Für den Ansturm rüsten
[31.5.2024] Die E-Rechnungspflicht im B2B-Bereich kommt. Kommunen sollten jetzt ihre IT darauf ausrichten. Ein Sechs-Stufen-Plan, der als roter Faden Wege und technologische Lösungsmöglichkeiten aufzeigt, kann dabei helfen. mehr...
Suchen...

 Anzeige



Aboverwaltung


Abbonement kuendigen

Abbonement kuendigen
LORENZ Orga-Systeme GmbH
60489 Frankfurt am Main
LORENZ Orga-Systeme GmbH
regisafe GmbH
71332 Waiblingen
regisafe GmbH
NOLIS GmbH
31582 Nienburg/Weser
NOLIS GmbH
Aktuelle Meldungen