Green IT:
In die Tiefe gehen


[21.11.2014] Neue Wege beim Betrieb ihrer IT gehen der Kreis Bad Kissingen und der Vogelsbergkreis. Die Verlegung des Rechenzentrums in einen leerstehenden Atombunker und die geothermische Klimatisierung der Server reduzieren Energieverbrauch und Kosten.

Kreis Bad Kissingen: Atombunker als Rechenzentrum. Beim Betrieb von Rechenzentren kommt es heute nicht nur auf hohe IT-Leistung und Verfügbarkeit an, sondern auch auf Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Zwei Beispiele aus der öffentlichen Verwaltung zeigen, wie sich neueste Technologien mit optimaler Raum- und Ressourcennutzung kombinieren lassen: Der Landkreis Bad Kissingen hat einen leerstehenden Atombunker zum Rechenzentrum umfunktioniert, der hessische Vogelsbergkreis kühlt seine Server stromsparend und umweltfreundlich mit Geothermie.

Umzug in den Bunker

Im Landratsamt Bad Kissingen entschied man sich vor allem aus Sicherheits- und Platzgründen dafür, neue Wege im IT-Bereich einzuschlagen. Eine umfassende Sicherheitsanalyse war zu dem Ergebnis gekommen, dass der bestehende Server-Raum nicht alle Anforderungen an ein sicheres Rechenzentrum erfüllte. Die gesamte Infrastruktur – einschließlich der unabhängigen Stromversorgung (USV) – war bisher in einem speziell gesicherten Büroraum untergebracht. Da innerhalb des Verwaltungsgebäudes nicht genügend Platz für ein neues Rechenzentrum zur Verfügung stand, entwickelten die Verantwortlichen eine unkonventionelle Idee: Die IT-Systeme sollten in den ehemaligen Atombunker des Landratsamts einziehen. Aus baulicher Sicht bot das Konzept den Vorteil maximaler Sicherheit. Wände, Decken und Böden des Bunkers bestehen aus 80 Zentimeter dickem Stahlbeton.
Das Systemhaus DANES, die Firma BM Green Cooling und weitere IT-Unternehmen entwickelten als Partnerverbund rz4you ein hochindividuelles Lösungskonzept für das neue Rechenzentrum. Sie wählten passende Serverracks und Systemkomponenten für die niedrigen Bunkerräume aus und planten die Installation vor Ort so, dass weitgehend auf aufwendige Kernbohrungen verzichtet werden konnte. Im Bereich der Klimatisierung setzte rz4you auf die Kombination von innovativer Technologie mit der vorhandenen Gebäudetechnik. So nutzt das Landratsamt bereits seit mehreren Jahren einen verrohrten Bachwasserkanal zur Klimatisierung des großen Sitzungssaals. Vorgeschlagen wurde, dieses System auch für die umweltschonende Kühlung der Server-Schränke im Rechenzentrum zu verwenden.

Kühlen mit Kaltwasser

Für die Klimatisierung des neuen Server-Raums kommen Kühlsysteme auf Kaltwasserbasis zum Einsatz, die zwischen den Server-Schränken montiert werden und so die entstehende Abwärme direkt am Entstehungsort entsorgen. Eine Einhausung der Serverracks trennt warme und kalte Luftströme und erhöht die Energieeffizienz des Systems zusätzlich. Die Bunkerräume in Bad Kissingen wurden darüber hinaus mit moderner Brandschutz-, Sicherheits- und Überwachungstechnik ausgestattet. So sind die Administratoren in der Lage, bei auffälligen Abweichungen sofort zu reagieren.
Der eigentliche Umzug der IT-Systeme in den Atombunker fand zum Jahreswechsel 2013/2014 statt. Drei Tage hatte man für die Inbetriebnahme eingeplant, aber schon nach zwei Tagen waren die Arbeiten größtenteils abgeschlossen und alle Systeme wieder erreichbar. „Das Konzept von rz4you passte exakt zu unseren technischen und räumlichen Anforderungen“, sagt Hans-Jürgen Bühner, Administrator und IT-Sicherheitsbeauftragter im Landratsamt Bad Kissingen. „Wir haben mit der neuen Infrastruktur die Ausfallsicherheit unserer zentralen IT-Systeme erhöht, vollständige Übersicht über alle Abläufe im Rechenzentrum gewonnen und gleichzeitig die Voraussetzungen für einen effizienten Betrieb geschaffen. Durch das nachhaltige Klimatisierungskonzept profitieren wir künftig von deutlich reduziertem Energieverbrauch.“ Mittlerweile laufen nicht nur die Server des Landratsamts im neuen Rechenzentrum: Die Stadt Bad Kissingen hat den Großteil ihrer IT-Systeme ebenfalls in den ehemaligen Bunker migriert und per Glasfaserleitung an das Rathaus angebunden. Auslastung und Wirtschaftlichkeit der neuen Infrastruktur konnten so weiter erhöht werden.

Sparen dank Geothermie

Auf ein rundum nachhaltiges IT-Konzept setzt auch der hessische Vogelsbergkreis. Im Rechenzentrum der Kreisverwaltung in Lauterbach implementierte rz4you eine der ersten geothermischen Server-Klimatisierungsanlagen Deutschlands. Im Gegensatz zu herkömmlichen Klimaanlagen verzichtet die geothermische Lösung komplett auf eine maschinelle Kälteerzeugung: Die Kühlung erfolgt stattdessen mithilfe von Kaltwasser, das über einen geschlossenen Rohrkreislauf bis in eine Bodentiefe von rund 80 Metern geführt wird. Das Erdreich hat in dieser Tiefe in der Regel eine Temperatur von etwa 14 Grad Celsius, die nicht durch jahreszeitliche Witterungsschwankungen beeinflusst wird. Für die Bereitstellung einer Kälteleistung von 16 Kilowatt waren insgesamt vier Bohrungen erforderlich. „Gemeinsam mit rz4­you haben wir eine zukunftsfähige Klimatisierungslösung realisiert, die die Stromkosten um rund 80 Prozent reduziert“, sagt Kai Greinke, IT-Leiter der Kreisverwaltung. „Wir gehen davon aus, dass wir mit der Geothermie-Anlage ausreichend Kühlleistung für die nächsten 15 Jahre erzeugen können und damit für ein weiteres Wachstum der IT-Infrastruktur gerüstet sind.“
Mit den bisher erzielten wirtschaftlichen Ergebnissen sind die Verantwortlichen im Vogelsbergkreis sehr zufrieden. Trotz deutlich höherer Kühlleistung sparte die IT-Abteilung schon im ersten Jahr mehr als 5.000 Euro an Energiekosten für die Klimatisierung ein. Die Investition in die Geothermie-Anlage wird sich damit in den nächsten Jahren durch den geringeren Stromverbrauch amortisieren. Nebenbei trägt der Vogelsbergkreis mit der Anlage aktiv zum Klimaschutz bei: In den ersten zwölf Monaten konnte der CO2-Ausstoß der Kreisverwaltung bereits um 14.800 Kilogramm reduziert werden.

Holger Hespelein ist freier Autor in München.

http://www.lkkissingen.rhoen-saale.net
http://www.vogelsbergkreis.de
http://www.rz4you.com
Dieser Beitrag ist in der November-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Panorama, Green IT, Kreis Bad Kissingen, Vogelsbergkreis, DANES, rz4you

Bildquelle: Landratsamt Bad Kissingen

Druckversion    PDF     Link mailen


Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich Panorama
Kreis Neuburg-Schrobenhausen: KI für die Mitarbeiterschulung
[3.7.2024] Das Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen wurde von Bayerns Digitalminister Mehring als „Digitales Amt“ ausgezeichnet. Darüber hinaus pilotiert die Verwaltung eine Anwendung, die mittels KI-generierter Videos die Mitarbeiterschulung effizienter machen und Beschäftigte entlasten soll. mehr...
Serie GovTech Start-ups: Immer mehr Alternativen Bericht
[1.7.2024] Auf dem Markt für Public Sector Software steigt die Vielfalt: Vermehrt finden sich dort innovative Digitallösungen junger Start-ups. Auch Hersteller, deren Anwendungen bisher die Privatwirtschaft adressierten, entdecken die Verwaltung als interessanten Auftraggeber. mehr...
Die Auswahl an Software-Produkten wird größer.
forsa-Umfrage: Begrenztes Vertrauen in KI
[1.7.2024] Datengesteuertes Handeln in Politik und Verwaltung unter Rückgriff auf vielfältige Daten aus unterschiedlichsten Quellen – das ist eine der Möglichkeiten, die Künstliche Intelligenz eröffnet. Viele Deutsche fühlen sich bei dem Gedanken, dass der Staat mit KI Entscheidungen trifft, aber eher unwohl, wie eine aktuelle Umfrage zeigt. mehr...
Kommunikation: Digital im Austausch Bericht
[27.6.2024] Mehr Dialog mit den Bürgern gipfelt in höheren Teilnahmezahlen bei Informationsveranstaltungen, Kursen und Events – wenn die Kommunikation erfolgreich ist. Dafür stehen Kommunen verschiedene digitale Werkzeuge zur Verfügung. mehr...
Ansprache sollte individuell auf den Bürger zugeschnitten sein.
Köln: Drehanträge digital stellen
[25.6.2024] Ein einheitlicher, digitaler Drehantrag soll in Köln künftig die Grundlage für eine transparente und schnellere Vergabe von Drehgenehmigungen innerhalb der Stadtverwaltung bilden. Das Besondere: Der Antrag entstand in enger Abstimmung mit Filmschaffenden und der Verwaltung. mehr...
Das Einholen von Drehgenehmigungen wird in Köln digital – und damit einfacher für alle Beteiligten.
Weitere FirmennewsAnzeige

Besuchersteuerung: Das neue Einbürgerungsgesetz stellt Behörden vor zusätzliche Herausforderungen
[12.6.2024] Am 27. Juni 2024 tritt das neue deutsche Einbürgerungsgesetz in Kraft. Damit verkürzt sich die Mindestaufenthaltsdauer für eine Einbürgerung von derzeit acht auf fünf Jahre, bei besonderen Integrationsleistungen sogar auf bis zu drei Jahre. Demzufolge werden Ausländerbehörden künftig mehr Anträge auf Einbürgerung bearbeiten müssen. Allerdings stoßen bereits heute viele Ausländerbehörden an ihre Kapazitätsgrenzen. Magdalene Rottstegge, zuständig für das Business Development bei der SMART CJM GmbH, erläutert, wie Ämter das erhöhte Arbeitsaufkommen besser bewältigen können. mehr...

E-Rechnung: Für den Ansturm rüsten
[31.5.2024] Die E-Rechnungspflicht im B2B-Bereich kommt. Kommunen sollten jetzt ihre IT darauf ausrichten. Ein Sechs-Stufen-Plan, der als roter Faden Wege und technologische Lösungsmöglichkeiten aufzeigt, kann dabei helfen. mehr...
Suchen...

 Anzeige



Aboverwaltung


Abbonement kuendigen

Abbonement kuendigen
Ausgewählte Anbieter aus dem Bereich Panorama:
AIDA ORGA GmbH
75391 Gechingen
AIDA ORGA GmbH
JCC Software GmbH
48149 Münster
JCC Software GmbH
Telecomputer GmbH
10829 Berlin
Telecomputer GmbH
Aktuelle Meldungen