Soest:
Potenzial präziser Daten


[27.1.2020] Das Projekt 3D-Stadtmodell Soest hebt Open Data auf ein neues Level: Die Präzision des Modells eröffnet die Möglichkeit, Apps aufzuschalten, die nicht nur von der Verwaltung, sondern auch von Bürgern und Unternehmen genutzt werden können.

Bauvorhaben können im Soester 3D-Modell in die Stadtansicht eingefügt werden. Das bisher größte ausgedruckte 3D-Modell des Soester Rathauses ist ein Polymergipsdruck mit dem Maßstab 1:200. Es ist absolut realistisch in Farbe und Proportionen. Mit dem Projekt 3D-Stadtmodell Soest betritt die Kommune seit Beginn des Jahres 2019 Neuland bei der digitalen Erfassung des Stadtraums. Es ist eines der ersten Projekte, die das Land Nordrhein-Westfalen im Zuge der Digitalen Modellkommunen fördert und eines, bei dem es bereits viele Fortschritte und Ergebnisse gibt.
Das Projekt ist im Bereich Geo-Information der Stadt angesiedelt. Als Partner ist auch das 3D-Druck-Experten-Team der Fachhochschule Südwestfalen an Bord und das Amt für Vermessung und Geoinformation der Stadt Paderborn, die ebenso Teil der „Digitalen Modellkommunen NRW“ ist. Ziel des Projekts ist es, ein jederzeit verfügbares, multifunktionales, offenes Werkzeug anzubieten, das sowohl von der Verwaltung als auch von Bürgern und Unternehmen frei genutzt werden kann. Im Prinzip handelt es sich um ein online ansteuerbares Modell, wie man es auch von Google StreetView oder anderen im Internet frei verfügbaren 3D-Stadtmodellen kennt. Die Unterschiede zu diesen Modellen liegen in der Genauigkeit und der Vielzahl an Anwendungen, die in das System integriert sind und die darüber hinaus lokal reale Mehrwerte generieren.

Stereoskopisch-photogrammetrische Auswertungen

Das 3D-Stadtmodell wird von der Stadt seit dem Jahr 2016 betrieben und kontinuierlich erweitert. Aktuell sind alle Gebäude, geschützten Mauern sowie Bäume im öffentlichen Raum der Altstadt erfasst. Geplant ist, dass bis Ende 2019 die gesamte Stadtfläche von 86 Quadratkilometern digital in 3D vorliegt. Erstellt wird das Modell über stereoskopisch-photogrammetrische Auswertungen von Luftbildaufnahmen durch die Dortmunder Firma Aerowest. Darin liegt ein weiterer Unterschied zu anderen 3D-Modellen, die auf der Grundlage von Punktwolkeninformationen aus Laserscanning-Verfahren abgeleitet werden. Für das Soester Modell werden Luftbilder nicht nur in der Aufsicht, sondern gleichzeitig in einer 45-Grad-Schrägsicht aufgenommen, und zwar von einer der modernsten Kameras der Welt, der Urban Mapper der Firma IGI aus Kreuztal.

Bis auf einen Dezimeter genau

Die Geometrien werden anschließend in Handarbeit erfasst und die in den Schrägluftbildern enthaltenen Gebäudefassaden automatisch auf die Gebäudegeometrie drapiert. Ergebnis sind volltexturierte 3D-Modelle: Alle Gebäude werden bis auf einen Dezimeter genau geometrisch wiedergegeben und mit der fotorealistischen Darstellung der realen Fassade belegt.
Diese technisch aufwendig erzeugte Präzision im 3D-Stadtmodell ist jedoch kein Selbstzweck, sondern eröffnet die Möglichkeit, Anwendungen aufzuschalten. So können die Fachabteilungen der Stadt Soest, beispielsweise die Stadtplanung, die genauen Gelände- und Gebäudedaten nutzen, um die vielen Herausforderungen aus den Bereichen Stadtentwicklung, Denkmalschutz, Klimaschutz sowie Katastrophen-Management effizient zu bewältigen. Dafür können sie auf diverse Standard-Tools zurückgreifen. Zur Verfügung stehen unter anderem die Tools Messen, Abfragen und Suchen. Darüber hinaus können die Nutzer einen bestimmten Ausschnitt drucken oder einen Link dazu erstellen. Auch die tages- und uhrzeitgenaue Schattensimulation, ein Geländehöhenprofil, die Fußgängerperspektive und die interaktive Zusammenstellung eines Flugs sind möglich.

Apps für Handwerker, Architekten und Planer

Da das Amtliche Liegenschaftskataster-Informationssystem (ALKIS) ebenfalls hinterlegt ist, ist das 3D-Stadtmodell tagesaktuell und kann auch für die Adressensuche genutzt werden. Des Weiteren ist ein Export-Tool implementiert, mit dem eines oder mehrere Gebäude selektiert und in offene Standardformate wie CityGML, 3D-PDF oder KMZ exportiert werden können. Damit praktiziert die Stadt Soest Open Data.
Der eigentliche Clou des Projekts liegt jedoch in den integrierbaren Anwendungen, so genannten Apps, die nicht nur für Verwaltung und Geo-Experten einen hohen Nutzen entfalten. Im Rahmen der Digitalen Modellkommunen werden aktuell von der Berliner Firma virtualcitySYSTEMS vier Apps entwickelt beziehungsweise weiterentwickelt: ein Planning-Tool für Architekten und Planer, eine HandwerkerApp, die 3D-Druck-App und eine App für das Immobilien-Management, die bis Ende 2020 fertiggestellt werden soll.
Das Tool für Architekten und Planer ist bereits im Einsatz. Die Nutzung erfordert einen autorisierten Zugang, den Externe auf Anfrage erhalten. Moderne Architekturbüros arbeiten durchweg digital und entwerfen in Computer-Aided Design-Systemen (CAD-Systemen).

Datenfluss ist komplett digitalisiert

In Soest kann der digitale Entwurf des Architekten über das neue Tool in den Standardformaten 3DS, SKP, KMZ oder CityGML direkt in den Bestand des 3D-Stadtmodells importiert und positioniert werden. Bisher kostspielig manuell erstellte Modelle entfallen ebenso wie zeitraubende Datenübertragungen aus der CAD-Anwendung zum städtischen Geodateninformationssystem. Der komplette Datenfluss ist digitalisiert. Zudem kann der städtische Planer jederzeit den aktuellen Planungsstand einsehen. In Soest nutzen bereits einige Architekten diesen Service und liefern ihre Daten digital oder importieren sie in eigener Regie. Dadurch können Bürger und Planungsausschüsse sehen, wie sich das Stadtbild verändert, bevor ein Planvorhaben umgesetzt wird.
Die HandwerkerApp ist bereits online. Mit dem Tool kann der Handwerker im Stadtmodell das entsprechende Gebäude selektieren. Anschließend erhält er dann per E-Mail in Minutenschnelle ein digitales Aufmaß in den verschiedenen Datenformaten 3D-PDF, HTML und CSV. Auch für Mitarbeiter der Bauordnung bringt das digitale Aufmaß Vorteile, zum Beispiel im Rahmen der Prüfung von Steuerbescheinigungen und Förderanträgen. Natürlich kann auch jeder Bürger die Maße seines Hauses nutzen, etwa wenn die Fassade neu gestrichen oder das Dach neu gedeckt werden soll.

Hoher Bedarf an 3D-Daten im Klimaschutz

Über die 3D-Druck-App kann der Nutzer interaktiv eine Datei erstellen und im Anschluss direkt einen Druckauftrag erteilen. Dieser geht dann beim 3D-Druck-Experten-Team der Fachhochschule Südwestfalen in Soest ein. Im 3D-Druckzentrum von Professor Jens Bechthold werden die Aufträge auf den modernen 3D-Druckern in verschiedenen Formaten und Farben und in den unterschiedlichsten Materialien ausgedruckt. Im Rahmen des Projekts besteht darüber hinaus ein Wissensaustausch mit den Kollegen der Stadt Paderborn, die ebenso über einen professionellen 3D-Drucker verfügen.
Zukünftig können noch weitere Objekte wie beispielsweise Laternen, unterirdische Infrastruktur, Brücken, Tunnel und Klimadaten in das 3D-Stadtmodell integriert und für verschiedene Anwendungen in Wert gesetzt werden. Gerade im Bereich Klima- und Katastrophenschutz besteht ein enormer Bedarf an 3D-Daten.


Diplom-Geograph Jürgen Treptow und Stephan Siegert sind Mitarbeiter bei der Stadtverwaltung Soest.

https://www.soest.de
https://www.virtualcitysystems.de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Januar 2020 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Geodaten-Management, Soest, virtualcitySYSTEMS, 3D-Stadtmodell

Bildquelle: Stadt Soest

Druckversion    PDF     Link mailen


Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich Geodaten-Management
Hannover: Grundwasserstände online
[17.6.2024] Ob Land- und Forstwirtschaft, Bausektor oder Landschaftspflege – für all diese Bereiche sind aktuelle Informationen zu Grundwasserständen wichtig. Die Stadt Hannover stellt diese nun auf einer interaktiven Online-Karte bereit. mehr...
Grundwasserstandsmessung in Hannover. Die Ergebnisse aktueller Messungen können auf einer Online-Karte eingesehen werden.
Oldenburg/Trier: Digital kühle Orte finden
[11.6.2024] Kühlere Orte bei langanhaltenden Hitzewellen können eine Wohltat sein. Immer mehr Städte bieten Stadtpläne, die Bewohnern und Besuchern geeignete Orte anzeigen, an denen sie sich vor zu hohen Temperaturen schützen können. Zuletzt haben Trier und Oldenburg entsprechende Angebote veröffentlicht. mehr...
Digitaler Stadtplan zeigt kühle Orte in und um Oldenburg.
Homburg: Kommunales Geoportal gestartet
[29.5.2024] In Homburg steht eine neue, GIS-basierte Plattform bereit, die verschiedene Informationen zu kommunalen Themen liefert. Integriert ist ein Mängelmelder inklusive Mobil-App. Diese Angebote sind nicht nur ein Informationsservice für Bürgerinnen und Bürger – sie sollen auch die Abläufe in der Verwaltung erleichtern. mehr...
In Homburg erleichtert eine GIS-basierte Online-Plattform künftig die Zusammenarbeit von Bürgern und Verwaltung.
Hamburg: Starkregengefahrenkarte ist komplett
[28.5.2024] In Hamburg wurde eine Starkregengefahrenkarte für das gesamte Stadtgebiet fertiggestellt und ist nun öffentlich zugänglich. Interessierte können sich mithilfe dieser Karte umfassend über potenzielle Starkregengefahren durch Überflutungen informieren und – sofern erforderlich – entsprechend vorbereiten. mehr...
Eine Starkregengefahrenkarte soll Hanburger Bürger und Behörden über Risikogebiete informieren.
Bremen: Machine Learning in der Stadtentwicklung
[23.5.2024] Das Satellitentechnologie-Unternehmen OHB Digital Connect und das Landesamt für Geoinformation Bremen wollen in einem Kooperationsprojekt das maschinelle Lernen für nachhaltige Stadtentwicklung voranbringen. Ziel ist es, Massendaten KI-gestützt auszuwerten und in Beziehung zueinander zu setzen. mehr...
Die automatisierte Verarbeitung von Geodaten ist ein entscheidender Schritt für die nachhaltige Stadtentwicklung. In Bremen läuft dazu eine neue Kooperation.
Weitere FirmennewsAnzeige

Besuchersteuerung: Das neue Einbürgerungsgesetz stellt Behörden vor zusätzliche Herausforderungen
[12.6.2024] Am 27. Juni 2024 tritt das neue deutsche Einbürgerungsgesetz in Kraft. Damit verkürzt sich die Mindestaufenthaltsdauer für eine Einbürgerung von derzeit acht auf fünf Jahre, bei besonderen Integrationsleistungen sogar auf bis zu drei Jahre. Demzufolge werden Ausländerbehörden künftig mehr Anträge auf Einbürgerung bearbeiten müssen. Allerdings stoßen bereits heute viele Ausländerbehörden an ihre Kapazitätsgrenzen. Magdalene Rottstegge, zuständig für das Business Development bei der SMART CJM GmbH, erläutert, wie Ämter das erhöhte Arbeitsaufkommen besser bewältigen können. mehr...

E-Rechnung: Für den Ansturm rüsten
[31.5.2024] Die E-Rechnungspflicht im B2B-Bereich kommt. Kommunen sollten jetzt ihre IT darauf ausrichten. Ein Sechs-Stufen-Plan, der als roter Faden Wege und technologische Lösungsmöglichkeiten aufzeigt, kann dabei helfen. mehr...
Suchen...

 Anzeige



Aboverwaltung


Abbonement kuendigen

Abbonement kuendigen
Ausgewählte Anbieter aus dem Bereich Geodaten-Management:
OrgaSoft Kommunal GmbH
66119 Saarbrücken
OrgaSoft Kommunal GmbH
NOLIS GmbH
31582 Nienburg/Weser
NOLIS GmbH
con terra GmbH
48155 Münster
con terra GmbH
ekom21 – KGRZ Hessen
35398 Gießen
ekom21 – KGRZ Hessen
Aktuelle Meldungen