Serie Smart Cities:
Digitale Doppelgänger


[17.5.2023] Urbane digitale Zwillinge gelten als vielversprechendes Werkzeug zur Lösung verschiedener kommunaler Herausforderungen – etwa im Bereich Stadtplanung oder Klimaschutz. Ein One-Size-Fits-All-Modell für Kommunen kann es allerdings nicht geben.

Partizipative Stadtplanung mit digitalen Datentischen. Aus der Industrie sind digitale Zwillinge als virtuelle Doppelgänger von Produktionsanlagen und Prozessen nicht mehr wegzudenken. Auch in der Stadtentwicklung hält der Ansatz zunehmend Einzug: Urbane digitale Zwillinge sind interaktive Weiterentwicklungen von 3D-Stadtmodellen, die neben Objekten auch vielfältige Daten – etwa Verkehrsströme, Umweltdaten oder soziale Interaktionen – abbilden. Mehr als 30 der insgesamt 73 vom Bund geförderten Modellprojekte Smart Cities bauen derzeit solche urbanen digitalen Zwillinge auf. Die Lösungsansätze und Anwendungsfälle sind dabei ganz unterschiedlich.
So können digitale Zwillinge zum Beispiel für die partizipative Stadtplanung eingesetzt werden. Denn am digitalen Abbild einer Stadt lassen sich verschiedene Szenarien modellieren. Damit das gelingt, müssen die Daten so aufbereitet und visualisiert sein, dass sie auch von Menschen, die nicht unbedingt technikaffin sind, genutzt und verstanden werden können. Eine Lösung ist das in Hamburg entwickelte Digitale Partizipationssystem (DIPAS). Bürgerinnen und Bürger können in Online-Beteiligungsverfahren oder vor Ort über digitale Datentische Karten, Luftbilder, Pläne, 3D-Modelle und Geodaten abrufen und so ihr Feedback zu Planungsvorhaben der Stadt geben. Im Rahmen des Kooperationsprojekts Connected Urban Twins (CUT) wurde die Hamburger Open Source Software DIPAS in die Partnerstädte Leipzig und München transferiert, in ersten Beteiligungsverfahren erprobt und weiterentwickelt.

Ein Ansatz nicht nur für Großstädte

Der Landkreis Hof wiederum baut einen digitalen Zwilling für ein effizienteres Wasser-Management auf. Ziel ist es, einer potenziellen Wasserknappheit frühzeitig vorbeugen, aber auch Hochwassergefahren besser einschätzen zu können. Der Zwilling ermöglicht es, verschiedene Szenarien zu simulieren: Wie verhält sich ein Bach bei unterschiedlichen Regenmengen? Wohin breitet sich das Wasser aus, wenn es über die Ufer tritt?
Im oberpfälzischen Regensburg wird ein digitaler Energie-Zwilling zu einer ökologischen und ökonomischen Energieversorgung beitragen. Dafür werden die Energie- und Materialströme – etwa Strom, Wärme oder Wasser – von Gebäuden und Quartieren mithilfe von Sensoren gemessen und in einem dreidimensionalen, digitalen Modell nachgebildet. So lassen sich Energiesparpotenziale einfacher ermitteln. Der Energie-Zwilling hilft darüber hinaus, größere Sanierungsmaßnahmen von Wohnquartieren vorzubereiten und energetisch optimal umzusetzen. Im ersten Schritt stattet die Stadt Regensburg dafür einen genossenschaftlichen Gebäudekomplex mit Sensorik aus. Es gilt bei diesem Piloten, die Messtechnik und Datengrundlage zu identifizieren, um später auch andere Gebäude und Quartiere mit intelligenten Energiesystemen auszustatten.
Das interkommunale Projekt „SmartRegion AUF“ der bayerischen Gemeinden Apfeldorf, Unterdießen und Fuchstal schließlich beweist, dass urbane digitale Zwillinge nicht nur ein Ansatz für Großstädte sind. Unter dem Motto Dorfentwicklung 4.0 entwickeln die drei Gemeinden einen urbanen digitalen Zwilling als Planungsmodul für Klimaschutzthemen sowie für soziale Projekte im Bereich der Nachbarschaftshilfe.

Know-how gemeinsam nutzen

Im Rahmen der Begleitforschung der Modellprojekte Smart Cities hat ein Team des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering IESE die Potenziale und Herausforderungen urbaner digitaler Zwillinge genauer untersucht. Die Autoren der Studie, die im Mai 2023 erscheint, sehen in deren Einsatz künftig erhebliche Mehrwerte. Zugleich betonen sie, dass die Entwicklung erst ganz am Anfang steht. Tiefer gehende Analysen, Simulationen und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) befänden sich noch im Entwicklungsstadium. Auch seien die für einen urbanen digitalen Zwilling benötigten Daten meist an verschiedenen Stellen in einer Stadt gespeichert. In einem ersten Schritt müssten daher Schnittstellen geschaffen und Silos aufgebrochen werden. Der erfolgreiche Aufbau eines digitalen Stadtzwillings gestaltet sich also äußerst komplex – die Modellprojekte Smart Cities leisten folglich echte Pionierarbeit.
In der Arbeits- und Entwicklungsgemeinschaft (AEG) „Urbane Digitale Zwillinge“ haben sich im Herbst vergangenen Jahres über 30 Modellprojekte zusammengetan. Die AEG, die von der Koordinierungs- und Transferstelle Modellprojekte Smart Cities unterstützt wird, fördert den kontinuierlichen Austausch und strukturierten Überblick über bereits eingesetzte Instrumente. Zugleich hilft sie, ein gemeinsames Verständnis über die verschiedenen Einsatzbereiche digitaler Zwillinge in der Stadtentwicklung zu erzeugen. In sieben Themengruppen haben sich die ersten Modellprojekte zusammengeschlossen, die an ähnlichen Use Cases arbeiten. Für Schwerpunkte wie Planungsprozesse, Mobilität, Klimaanpassung, Tourismus oder Denkmalschutz geht es nun zunächst darum, ähnliche Fragestellungen zu identifizieren. In der Themengruppe, die sich mit dem Einsatz digitaler Zwillinge im Bereich Denkmalschutz beschäftigt, ist zum Beispiel der Datenschutz ein wichtiges Thema. Denn häufig befinden sich denkmalgeschützte Gebäude in Privatbesitz: Hier ist es deshalb nützlich, sich gemeinsam auf rechtssichere Leitlinien zu verständigen, damit diese nicht mehr für jeden Einzelfall von den städtischen Datenschutzbeauftragten ausgearbeitet werden müssen.

Baukastensystem ist in Arbeit

Ziel der AEG ist es, zentrales Handlungswissen über digitale Zwillinge in der Stadtentwicklung zu generieren und die Erfahrungen der Modellprojekte Smart Cities auch für nicht geförderte Kommunen zugänglich zu machen. Doch die Vielfalt der Ansätze und die unterschiedlichen Ausgangslagen verdeutlichen, dass es nicht den einen urbanen digitalen Zwilling geben wird. Allerdings zeigen die Modellprojekte AUF und CUT bereits, dass Kommunen davon profitieren, wenn sie kooperieren und ihr Wissen teilen.
So soll im Rahmen des CUT-Projekts ein Baukastensystem für den Einsatz von urbanen digitalen Zwillingen entstehen: Es wird also keinen digitalen Zwilling geben, welcher für alle gleich ist, vielmehr werden die Bestandteile als Open-Source-Lösungen zur Verfügung gestellt. Davon können gerade kleinere Kommunen mit begrenzten Ressourcen profitieren. Das CUT-Projekt bringt sich intensiv in die AEG „Urbane Digitale Zwillinge“ ein und hat in drei Themengruppen eine Sprecherrolle übernommen, unter anderem in der Gruppe zum Thema Planungsprozesse. Diese ist dabei, modulare Elemente für den Einsatz eines digitalen Zwillings in der Stadtplanung zu identifizieren und interkommunal weiterzuentwickeln.

Koordinierungs- und Transferstelle ­Modellprojekte Smart Cities (KTS).

Serie Smart Cities,
Teil 1: Stärker durch interkommunale Kooperationen Teil 2: Urbane Datenplattformen Teil 3: Digitale Zwillinge Teil 4: Smarte Regionen Teil 5: Resilienz und Klimaanpassung Teil 6: Raumwirkung der Digitalisierung

Teil eins der Serie Smart Cities (Deep Link)
Teil zwei der Serie Smart Cities (Deep Link)
Teil vier der Serie Smart Cities (Deep Link)
Teil fünf der Serie Smart Cities (Deep Link)
https://www.smart-city-dialog.de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Mai 2023 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Smart City, Serie Smart Cities, Digital Twin, Digitaler Zwilling

Bildquelle: Angela Pfeiffer/Connected Urban Twins

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