[7.6.2018] Einen Sonderbericht zum Breitband-Ausbau in den Mitgliedstaaten hat der Europäische Rechnungshof vorgelegt. In Deutschland verhindert demnach die Vectoring-Technologie den Weg in die Gigabit-Gesellschaft.
Mit den aktuell genutzten Technologien wird Deutschland das EU-weite Ziel, bis zum Jahr 2025 flächendeckend Bandbreiten von bis zu einem Gigabit pro Sekunde zu ermöglichen, höchst wahrscheinlich nicht erreichen. Zu diesem Schluss kommt der Europäische Rechnungshof (ERH) in einem Sonderbericht zum Stand des Breitband-Ausbaus in den Mitgliedstaaten. „In Deutschland nutzt der etablierte Betreiber zur Verbesserung der Breitband-Abdeckung in großem Umfang die Vectoring-Technologie“, heißt es in dem Bericht. Vectoring sei aber nur eine kurzfristige Lösung, die nicht so zukunftssicher ist wie Glasfaser oder Koaxialkabel. Mit Vectoring können laut dem Bericht zwar die Ziele der Strategie Europa 2020 erreicht werden, vermutlich aber nicht die Zielsetzung der Gigabit-Gesellschaft für 2025. Da sich im Unterschied zum etablierten Betreiber die alternativen Netzbetreiber in Deutschland immer stärker auf reine Glasfaser fokussieren, werden sie im Bericht als die maßgeblichen Treiber der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft bezeichnet. Der ERH kritisiert in dem Sonderbericht aber auch eine mangelnde Koordinierung der verschiedenen Förderprogramme auf Bundes- und Landesebene sowie das punktuelle Herausgreifen einzelner lukrativer Orte aus zusammenhängenden kreisweiten Ausbaugebieten durch etablierte Betreiber.
Deutscher Landkreistag sieht sich bestätigt
Der Sonderbericht stößt unter anderem beim Deutschen Landkreistag (DLT) auf Zustimmung: Der kommunale Spitzenverband sieht sich in seiner kritischen Haltung gegenüber Vectoring bestätigt. DLT-Präsident Landrat Reinhard Sager sagt: „Bis zum Jahr 2025 soll ein flächendeckender Ausbau mit Gigabit-Netzen bis ins Haus erreicht werden. Die Technik der Zukunft ist hierbei ganz klar Glasfaser. Wer auf Vectoring setzt, reitet ein totes Pferd.“ Um das 2025-Ziel zu erreichen ist es laut dem Deutschen Landkreistag zwingend erforderlich, die Bundesförderung ab sofort so auszurichten, dass nur noch echte Glasfasernetze bis ins Haus gefördert werden. Wichtig sei es, auch da, wo zunächst noch mit Vectoring geplant worden ist, den Technologiewechsel hin zur Glasfaser zu ermöglichen. Das Förderprogramm müsse entsprechend fortentwickelt werden, ohne dass dabei die in den vergangenen Jahren – nicht zuletzt vor Ort in den Landkreisen und Gemeinden – gewachsenen Strukturen und die bereits erzielten Ausbauerfolge gefährdet werden. Das kommunale Engagement zusammen mit den privaten Unternehmen hat laut dem Deutschen Landkreistag in ländlichen Räumen den Breitband- und hier vor allem den Glasfaserausbau überhaupt erst vorangebracht. Das müsse erhalten werden.
BREKO will FTTB-Ausbau fokussieren
„Der Bericht des EU-Rechnungshofs zeigt: Wir brauchen dringend den von der neuen Bundesregierung angestrebten Netzinfrastrukturwechsel zur Glasfaser“, kommentiert auch Stephan Albers, Geschäftsführer des Bundesverbands Breitbandkommunikation (BREKO). „Daher müssen wir den Koalitionsvertrag nun hin zu einem flächendeckenden Glasfaser-Infrastrukturziel weiterentwickeln – damit reine Glasfaser nicht nur möglichst, sondern direkt bis in alle Gebäude ausgerollt wird.“ Öffentliche Fördergelder darf es laut BREKO nur noch für den Ausbau reiner Glasfaseranschlüsse bis in die Gebäude oder direkt zum Nutzer geben. Bereits bewilligte Förderprojekte, die noch auf kupferbasierte Anschlüsse (VDSL / VDSL Vectoring) setzen, sollen im Sinne eines Förder-Upgrades zu reinen Glasfaser-Ausbauprojekten aufgewertet werden können. Mit der neuen Bundesregierung stimmt der BREKO laut eigenen Angaben überein, dass die Breitband-Förderung deutlich vereinfacht werden muss, um die Förderverfahren zu beschleunigen. Eine Förderung sollte außerdem stets das letzte Mittel darstellen, wenn ein Glasfaserausbau sonst auf absehbare Zeit nicht wirtschaftlich realisiert werden könne. Der BREKO weist darüber hinaus noch einmal auf die aus seiner Sicht dringend notwendige Überarbeitung des DigiNetz-Gesetzes hin (
wir berichteten).
Bandbreiten in Europa
Insgesamt liegt Deutschland beim Breitband-Ausbau laut dem ERH-Sonderbericht übrigens im EU-Mittelfeld: Bundesweit 84 Prozent der Haushalte hatten im Jahr 2017 Zugang zu schnellem DSL mit über 30 Megabit pro Sekunde, darunter etwa jeder zweite Haushalt auf dem Land. Europaweit sei der Anteil der Haushalte mit Zugang zu schnellen Breitband-Diensten über 30 Mbit/s von 48 Prozent im Jahr 2011 auf 80 Prozent im Jahr 2017 gestiegen. Der Bericht zeigt aber auch, dass die Anbindung der ländlichen Gebiete in den meisten Mitgliedstaaten nach wie vor problematisch ist.
(ve)
Der Breitbandausbau in den EU-Mitgliedstaaten: Trotz Fortschritten werden nicht alle Ziele der Strategie Europa 2020 erreicht (PDF, 4 MB) (Deep Link)
http://www.landkreistag.dehttp://brekoverband.de
Stichwörter:
Breitband,
Politik,
Europa,
Glasfaser